12.03.2020
Porträt Marleen Albert

"08/15-Werbung ist auf diesem Channel fehl am Platz"

Frau Albert, welche Chancen bietet TikTok Schweizer Unternehmen?
TikTok bietet für Marken heute ein recht grosses Potenzial, sich bunt, wild, innovativ in Szene zu setzen, und zwar nicht mit klassischen Print-Formaten und standardisierten Assets. 08/15-Werbung ist auf diesem Channel fehl am Platz. Unternehmen haben auf dieser relativ jungen Plattform heute noch die Möglichkeit, mit cooler, ansprechender Werbung sich vom Wettbewerb hervorzuheben und die Zielgruppe zu erreichen.

Wie kann diese Werbung aussehen?
Der Video-Content muss kreativ und lustig aufbereitet sein. Die Herausforderung ist, innerhalb der ersten zwei, drei Sekunden die Aufmerksamkeit des Users zu gewinnen. Internationale Marken wie zum Beispiel Guess haben das mit kreativen Challenges geschafft. Da sind aufregende Produktinszenierungen dabei, die Spaß machen, sie sich anzuschauen, und die sich von klassischen Produktplatzierungen unterscheiden, wie wir sie von den anderen Social-Media-Kanälen her kennen. In der Schweiz ist beispielsweise ganz neu Coop auf TikTok präsent.

Offenbar üben sich Schweizer Marken ansonsten aber noch in Zurückhaltung.
Wir haben mehrere Marken, die die Entwicklung von TikTok in den vergangenen Monaten verfolgt haben und die an einer aktiven TikTok-Strategie interessiert sind. Diverse Brands von A bis Z und aus allen Consumerbranchen sehen grosses Potenzial, dort eine junge Zielgruppe direkt anzusprechen und zu aktivieren.

Der Channel besitzt grosses Potenzial, um die junge Zielgruppe optimal abzuholen.

Marleen Albert

Verschiedene Marken nutzen heute Influencer Marketing auf TikTok. Wie stehen Sie dazu?
Influencer Marketing ist ein spannendes Thema und kommt immer mehr. Für Marken mit einem jungen Publikum bieten sich hier komplett neue Möglichkeiten der Produktinszenierung. Schon heute haben bereits diverse Marken erfolgreich Influencer bei Kampagnen mit ins Boot geholt. Es gibt auf TikTok auch bereits einen Creator Market Place, auf dem passende Creators gesucht werden können. Dieser ist allerdings in der Schweiz noch nicht verfügbar. Generell gibt es in der Schweiz noch nicht viele aktive und reichweitenstarke Influencer, aber auch spezifische Influencer-Agenturen wie Picstars entwickeln diesen Bereich gerade und bauen das Portfolio aus, sodass künftig Werbeplatzierungen auf TikTok stattfinden können – und das dann in Kooperation mit lokalen Schweizer Influencern.

Welche Rolle kann der Kanal dann künftig im Mediamix spielen?
Eine sehr wichtige! Der Channel besitzt grosses Potenzial, um die junge Zielgruppe optimal abzuholen. Wenn es nicht gerade um ein Nischenprodukt für 13- bis 16-Jährige geht, wird der Channel als ergänzendes Medium im Rahmen genereller Social-Kampagnen dienen. Eine Frage ist, ob sich TikTok dem Thema Third-Party-Tracking öffnet. Dann wären beispielsweise User, die auf Youtube erreicht wurden, auch auf TikTok ansprechbar und umgekehrt. So liessen sich Synergien zwischen den einzelnen Kanälen herstellen.

Titan TikTok

Im vom Analyse-Unternehmen App Annie erstellten Ranking der 2019 am häufigsten heruntergeladenen Apps liegt TikTok auf Platz 4 hinter dem Facebook Messenger, Facebook und Whatsapp. Der App-Analysedienst Sensor Tower hat für das vergangene Jahr 656 Millionen Downloads gezählt. Die videobasierte Social-Media-Plattform („Real people. Real videos“) für Android und iOS-Smartphones, die vom chinesischen Unternehmen Bytedance betrieben wird, soll mittlerweile weltweit 800 Millionen monatlich aktive User haben. Die Nutzer können bis zu 15 oder 60 Sekunden lange Video-Clips mit Musik und Filtern erstellen und hochladen. Sie müssen im Prinzip mindestens 13 Jahre alt sein, viele sollen aber jünger sein. Derzeit konzentriert sich TikTok nach eigenen Angaben noch auf das Wachstum der App und das seiner Teams in den Regionen.

Autor: Uwe Foerster
Publikation: Horizont Report Schweiz (20.02.2020)